Was für ein Abend! Als mir der Gedanke kam, dass ein Vortrag zu Architekturthemen auch für VW spannend sein könnte, hatte ich überhaupt nicht mit einer solchen Resonanz gerechnet. Bei über 200 Anmeldungen fanden sich immerhin um die 170 Teilnehmer ein, die Zuschauer in Ingolstadt gar nicht mit eingerechnet.  Mein Dank geht hier sowohl an die Organisation der AutoUni, die Referenten und natürlich die Gäste. Soviel dazu. :-)

Den Abend eröffnete Ralf Parr (Chefarchitekt VW) mit einem Überblick über die Dimensionen, in denen er sich mit seinem Team und den IT-Mitarbeitern innerhalb des Konzerns bewegt. Über 5000 Angestellte im Bereich IT, 400 000 Anwender und 3200 Anwendungen sind imposante Kennzahlen. Wie kann das bewältigt werden?  Vorherrschende Themen sind hier Prozessketten, Datenschutz und die Beherrschbarkeit der Systemlandschaft. Immer wieder muss der Architektulifecycle einer Überprüfung unterzogen werden. Kriterien sind hier die Frage nach notwendigen Anpassungen und der Abgleich mit veränderten Bedingungen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Generalisten zur Verfügung zu haben, die sich sowohl des Ganzen, als auch seiner Teile im gleichen Maße annehmen können.  Eine schwierige Aufgabe, der sich allerdings nicht nur Volkswagen stellen muss.

Im zweiten Vortrag refererierte Dr. Kant  (Qualitätssicherung VW)  über die standardisierten Prozessabläufe. Wesentliche Bestandteile sind hier:

  • Mastering Complexity
  • Kommunikation im Entwicklungsprozess
  • Integration in bestehende Systeme
  • Vorbeugende Fehlerbehandlung

Weiterhin ging er auf die VW-Sicht bezüglich SW-Designs ein. Schwerpunkte hier waren die Architektur-Guidelines, Bewertung des statischen und dynamischen Verhaltens von Systemen, funktionale Sicherheit, sowie Möglichkeiten der Qualitätsanalyse durch Inspektion, Review und Walkthrough.  Alles Dinge, mit denen ein jeder im Raum vermutlich schon mehr als einmal in Berührung gekommen ist.

Mahbouba Gharbi stellte in ihrem Vortrag kurz den iSAQB und die verschiedenen Zertifizierungsformen vor. Da ich selber den Foundation Level absolviert habe kann ich nur empfehlen, an einer solchen Schulung teilzunehmen, da sie tatsächlich sehr praxisorientiert und hilfreich ist. Wie auch die Zahlen belegen, steigt die Nachfrage nach diesen Zertifikaten signifikant an.

Nachfolgend ging sie dann auf die Kriterien zur Bewertung von Architekturen ein. Was sind die Symptome schlechter Architekturen? Was ist das Ziel einer Bewertung, wie kann ich Architektur messbar machen? Darauf gab es eine Menge Antworten und speziell ein konkretes Beispiel hinsichtlich der Methodik nach ATAM.

Höhepunkt des Abends war die provokante These von Stefan Tilkov, warum Enterprise entwickeln, wenn das Web doch schon eine erfolgreiche Lösung aufzeigt? Ich habe es jetzt mal mit meinen eigenen Worten wiedergegeben und muss sagen, die Frage hat durchaus ihre Berechtigung.  Einführend ging Stefan auf REST ein, eine Technologie, die sowohl sein persönliches Steckenpferd als auch eine zukunftsweisende Annahme ist:  Jedes Ding ist ein Ressource und als solche eindeutig ansprechbar (URI). Warum können heutige Enterprise-Anwendungen keine Web-Anwendungen sein? Eigentlich hat das Web doch schon lange gewonnen oder nicht?  Mag es vielleicht ein wenig überspitzt klingen und auch so gemeint sein, so verbergen sich doch hier einige Botschaften:

  • Der 'gemeine' (Java) Entwickler sollte mehr über den Tellerrand schauen, neue Technologien ausprobieren, offen sein, die neuen Möglickeiten auf- und annehmen.
  • Es sind nicht die 'HIgh-End-Technologien', die das Web (erfolgreich) regieren.
  • Der Browser ist das Portal, eigentlich steht alles, was man benötigt, bereits zur Verfügung.
  • Request-Response-Frameworks erfüllen die Anforderungen des Webs.
  • Mit dem Web, statt dageben agieren.
  • Akzeptanz der Diversität.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass hier eine Menge Wahrheit zu finden ist. Viele Enterprise-Projekte laborieren an den gleichen Problemen und scheitern oft daran. Woher soll die Hilfe bei zunehmend wachsender Komplexität kommen? Jeder wird sich einen Teil aus diesem Abend mitgenommen haben und ich freue mich, auch zukünftig, im Rahmen unserer Vorträge, Lösungen zu diesen Themen anbieten zu können.

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